Vom 1. Januar 2025 an sind alle Energieversorger hierzulande gesetzlich verpflichtet, einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Von dieser Initiative verspricht sich der Gesetzgeber eine Glättung jener „Unwucht“, die durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien in unseren Stromnetzen kontinuierlich größere Probleme bei der Netzregulierung verursacht. Daher sollen für Verbraucher neue Anreize geschaffen werden, Strom dann zu verbrauchen, wenn das Angebot an Erneuerbaren hoch ist. Im Gegenzug haben Nutzer dynamischer Stromtarife, wenn spezielle Voraussetzungen erfüllt sind, die Möglichkeit, bei ihrer Stromrechnung etwas Geld zu sparen.
Regionale Energieversorger wie die Stadtwerke beschaffen Energie mit Vorläufen von bis zu drei Jahren. Auf dieser Grundlage, wohl wissend, welche Kosten seitens ihrer Vorlieferanten abgerechnet werden, sind sie in der Lage, ihre Festpreistarife langfristig abgesichert zu kalkulieren. Bei einem dynamischen Stromtarif hingegen richtet sich der Strompreis nach Angebot und Nachfrage auf dem Energiemarkt und kann demnach stündlich oder gar viertelstündlich variieren. Nach unten ebenso wie nach oben. Der jeweilige kWh-Preis hängt von zahlreichen Faktoren wie der momentanen Belastung des Stromnetzes, der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien oder der Nachfrage am Markt ab.
Ein dynamischer Tarif im Sinne des § 41a EnWG
Nur Tarife, die sich eng (zumindest stundenaktuell) an den Spotmarktpreisen orientieren, sind dynamische Tarife im Sinne des § 41a EnWG. Damit zielt der Gesetzgeber darauf ab, dass Verbraucher ihre Lasten gerade auch innerhalb eines Tages auf Zeiten legen, in denen die Nachfrage gering ist oder erneuerbare Energien reichlich zur Verfügung stehen, was typischerweise zu Zeiten mit geringer Nutzung und/oder einem hohen Angebot der Fall ist. Genau dafür sollen dynamische Tarife die finanziellen Anreize schaffen.
Abrechnung – erheblicher Mehraufwand für die Stadtwerke
Bislang ermitteln die Stadtwerke die Bedarfe ihrer Kunden über die Zählerstände. Sie multiplizieren die verbrauchte Strommenge – die Differenz zwischen zwei Ablesungen – mit dem Festpreis und erhalten den Rechnungsbetrag. Bei den dynamischen Stromtarifen hingegen ist die Vorgabe, zunächst stundenaktuelle Verbrauchswerte über ein intelligentes Messsystem zu erfassen. Das setzt zwingend eine funktionierende Übertragung extrem hoher Datenmengen voraus. Anschließend muss jeder für eine Stunde erfasste Wert – das heißt 24 Rechenschritte und 24 Werte pro Tag – mit dem zeitlich korrespondierenden Preis an der Börse multipliziert werden.
Für diese Anforderungen sind die aktuellen Abrechnungssysteme der Betriebe noch nicht ausgelegt, sodass die Ermittlung händisch oder mit Hilfe eines Dienstleisters erfolgen muss. Geplant ist zudem, Ende des ersten Quartals 2025 die Schlagzahl sogar auf viertelstündlich zu erhöhen, was bedeutet, dass von diesem Zeitpunkt an 96 Rechenschritte pro Tag und Kunde auf die Abrechnungsabteilungen zukommen.
Technische Voraussetzungen bei Verbrauchern
Kundenseitig ist, wer einen dynamischen Tarif im Sinne des § 41a EnWG nutzen will, um seine Stromrechnung zu optimieren, ein intelligentes Messsystem (iMSys) vonnöten. Also mehr als ein normaler digitaler Zähler, bei dem die Bilanzierung nach einem Standardlastprofil, z. B. dem Haushaltsprofil H0, erfolgt.
Herkömmliche digitale Stromzähler zeigen üblicherweise nur den aktuellen Zählerstand an. Da die Abrechnung hier über das Standardlastprofil erfolgt, kann der Kunde nicht durch Änderung seines Lastverhaltens zu einer Optimierung seiner Stromkosten beitragen. Der einzige Vorteil (ggf. auch Nachteil) liegt darin, dass er das volatile Spotpreis-Niveau in Rechnung gestellt bekommt, anstatt einen vereinbarten Festpreis. Bei dynamischen Stromtarifen, die im Zusammenhang mit jenen herkömmlichen digitalen Stromzählern angeboten werden, handelt es sich demnach nicht um dynamische Tarife im Sinne des § 41a EnWG.
Kunden, die sich für einen dynamischen Stromtarif entscheiden, brauchen über das intelligente Messsystem sowie geeignete steuerbare Verbraucher wie Waschmaschine, Trockner oder Geschirrspüler hinaus auch die korrekte Konfiguration beim Netzbetreiber – hier ist die Rede von sogenannten Tarifanwendungsfällen (TAF). Nur wenn diese Konstellation (hier TAF-7) gegeben ist, wird der Verbrauch auch tatsächlich stündlich so bilanziert, wie er bei dem entsprechenden Kunden anfällt. Und Bilanzierung ist in diesem Fall der entscheidende Faktor. Die TAF-7-Bilanzierung verschafft dem Netzbetreiber eine bessere Datengrundlage, um sein Netz trotz fluktuierender Einspeisung und eines nach dem Angebot an erneuerbaren Energien im Netz ausgerichteten preisgesteuerten Lastverhaltens stabil zu halten. Mit Hilfe von herkömmlichen digitalen Stromzählern hingegen erfolgt die Bilanzierung weiterhin mit einem Standardlastprofil und eine Netzlastoptimierung findet nicht statt.
Vor dieser Kulisse wird deutlich, dass dynamische Stromtarife in besonderem Maße attraktiv respektive massentauglich werden können, wenn auch die Häuser der Verbraucher smarter werden. Wenn beispielsweise moderne „Home Energy Management Systems“ (HEMS) steuerbare Verbraucher miteinander verknüpfen und nach festgelegten Mustern automatisch im Sinne des Kunden steuern und optimieren, wenn ein kostengünstiger Zeitpunkt zum Wäschewaschen, zum Kochen oder Geschirrspülen ist. Auch dann, wenn Verbraucher etwa über steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie eine Wallbox für E-Fahrzeuge verfügen und den Ladevorgang nach dem Anschließen mit Hilfe eines automatisierten Preissignals steuern.
Flexibilität des Kunden
Auch ohne Optimierung des eigenen Lastverhaltens können Kunden mit einem dynamischen Stromtarif Geld sparen, wenn der Spotmarktpreis günstiger als ein Festpreistarif ist. Zusätzlich wirkt sich eine gewisse Flexibilität des Kunden positiv aus, das heißt, die Bereitschaft, seine „alten Gewohnheiten“, sein Verbrauchsverhalten an die Entwicklungen der Börsenpreise anzupassen. Ferner sollten Verbraucher Freude daran haben, aktiver in das Thema Energiewende einzusteigen, diese selbst mitzugestalten und obendrein noch die Möglichkeit zu haben, etwas Geld zu sparen. Auch sollte der Kunde seine Risiko-Affinität überprüfen. Das heißt, er ist gut beraten, im Vorfeld zu eruieren, wie er damit umgehen wird, wenn die Märkte in unsicheren Zeiten nervös werden und die Energiepreise wieder einmal nach oben ausbüxen.
Für wen bietet sich ein dynamischer Stromtarif an?
Wie der Markt, wie Verbraucher den dynamischen Stromtarif in Zukunft tatsächlich annehmen werden, „steht derzeit noch in den Sternen“. Derweil gehen manche Experten davon aus, dass Kunden eines bestimmten Profils besonderes Interesse daran hegen dürften: neugierige, offene, eher Technik-affine Personen bereits mit eigener PV-Anlage auf dem Dach, bei denen der Wunsch nach Energie-Autarkie und -Transparenz stärker ist als jener, Kosten zu minimieren. Auch schätze dieser Typ Kunde das Bewusstsein, dass ein dynamischer Stromtarif großes Potenzial besitzt, die Digitalisierung der Stromnetze voranzutreiben. Eine Entwicklung, die neben der Dekarbonisierung und Dezentralisierung der Stromversorgung eine tragende Säule der Energiewende ist.
Ebenfalls gute Voraussetzungen für einen dynamischen Tarif bringt eine Person mit, die im Normalfall tagsüber ihren Strom verbraucht, keine PV-Anlage besitzt und im Sommer, z. B. für eine Klimaanlage, noch etwas mehr Strom benötigt als im Winter. Besitzer von PV-Anlagen mit Eigenverbrauch beziehen von vornherein weniger Strom aus dem Netz und verringern damit automatisch das Optimierungspotenzial eines dynamischen Stromtarifs. Bleibt die Frage, ob der Verbraucher bereit ist, sich auf Dauer aktiv und intensiv mit einem solchen Tarifmodell auseinanderzusetzen. Und selbst dann gibt es immer noch keine Garantie, dass der Kunde am Ende günstiger wegkommt.
Die Risiken
Der dynamische Stromtarif bietet die Möglichkeit, Geld zu sparen, birgt aber gleichzeitig auch die Gefahr, hohe Stromkosten stemmen zu müssen, wenn sich Verbräuche zeitlich nicht verschieben lassen und der Spotpreis gerade hoch ist. Der Kunde sollte in seine Entscheidung miteinbeziehen, dass er mit einem dynamischen Stromtarif jene Preissicherheit abgibt, wie sie etwa von Festpreistarifen ausgeht – zumindest, was den Energiekostenanteil angeht.
Stadtwerke – aus der Pflicht eine Kür machen
In letzter Konsequenz darf ein dynamischer Stromtarif nicht am Menschen vorbeigehen. Er sollte den Verbraucher weder gängeln noch einschränken, sondern sein Leben komfortabler und einfacher machen. Mit dem dynamischen Stromtarif hat der Gesetzgeber Stadt- und Gemeindewerke vor große Herausforderungen gestellt. Sie nehmen diese an und werden alles daransetzen, das Beste im Sinne ihrer Kunden daraus zu machen.
Es hat die Stadtwerke immer schon ausgemacht, dass sie Partner der Menschen in ihrer Region waren und dies auch in Zukunft sein werden. Die Gesellschaft verändert sich rasant und die Energiewirtschaft tut dies auch. Diesem Umstand werden auch die Stadtwerke Rechnung tragen und kontinuierlich Produkte und Dienstleistungen kreieren, die nah am Menschen sind und deren Bedürfnisse abbilden.
Aktuell sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Themen, die die Menschen umtreiben. Die Stadtwerke werden ihrer Pflicht folgend einen dynamischen Stromtarif anbieten. Diesen aber zu verlässlichen Konditionen, die ihren Kunden sowohl einen echten Mehrwert als auch die Möglichkeit bieten, ihre Entscheidungen jederzeit ohne Druck und rundum gut beraten treffen zu können. Ein dynamischer Stromtarif für Haushaltskunden ist für alle Akteure neu. Demnach muss ein solches Angebot in seinen Anfängen beiden Seiten, Kunden wie Versorgern, eine gewisse Flexibilität einräumen. Quasi Raum für Versuch, Irrtum und Lernen.